Unterwegs im Kalk- und Marmorsteinbruch

von Anette in Concas

Material für Küchenbuffets und Kirchenstufen und für einen tollkühnen Selbstversuch

Elz -"Opa, was ist das? Eine Kletterwand?" Großvater und Enkel waren im Elzer Wald auf Entdeckungsreise, und außer Bäumen, Vögeln und Eichhörnchen hatte der flinke junge Mann kurz hinter der Brücke vom Forsthaus eine riesige Steilwand entdeckt. Was der junge Waldforscher zunächst als Kletterwand identifiziert, entpuppte sich bei näherer Betrachtung als ehemaliger Kalk- und Marmorsteinbruch - und als kleiner, aber spannender Teil der Elzer Industriegeschichte. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte hier, im Wald, rege Geschäftstätigkeit.

Der erste namentlich bekannte Förderer von Kalk war ein Johann Friedrich. Als Pächter des Bruchs hatte er jährlich fünf Silbergroschen in die Elzer Armenbüchse zu zahlen. Mehr ist nicht bekannt. Nach häufigem Pächterwechsel übernahmen die Kalkstickstoffwerke Köln den Bruch und investierten in großem Umfang. Teilweise waren im Werk sogar bis zu 90 Arbeiter tätig. Mitte der 1820er Jahre wurden diese "Elzer Lahnkalkwerke" wegen zu hoher Abbaukosten geschlossen. Maschinenhaus, Kesselhaus und Ringofen wurden abgebrochen, das bisherige Verwaltungsgebäude wurde zum Forsthaus und in das daneben stehende kleine Wohnhaus zog eine Familie.

In Villmar zu Platten gesägt

Mehr als 100 Jahre später - namentlich in den 1930er Jahren - eröffnete die Steinmetzfirma Scheu den Bruch erneut. Sie verwendete das gebrochene Material allerdings als Marmor. Die Marmorblöcke wurden gewonnen, indem zwischen Wand und Block in kleinen Abständen Löcher gebohrt wurden. In diese Löcher wurden Holzkeile gedrückt, die sich durch Wasser ausdehnten und so den Block von der Stellwand absprengten. Der wurde dann in Villmar zu Platten gesägt und anschließend von der Firma Scheu und der Nachfolgefirma Fluck zum sogenannten "Elzer Marmor" geschliffen.

Die Füße und Wasserschalen der beiden Weihwasserbecken an den Seitenausgängen der Elzer Kirche, der Fuß des Taufbeckens und der Belag der Treppe zum Altarraum sind aus diesem Material gefertigt. Die ab Ende der 40er Jahre von der Schreinerfirma Walter und Hans Simon gefertigten Küchenbuffets hatten ein mit Elzer Marmor ausgekleidetes Brot- und Kühlfach. Und Steinmetz Richard Schenk aus Elz hat einige der geschliffenen Marmorblöcke in sein Haus eingebaut und sie so bis heute erhalten. Trotz des zunächst großen Erfolgs musste der Abbau schließlich aufgegeben werden. Im Laufe der Zeit wurden immer dünnere Marmorplatten vom Markt verlangt und zwar insbesondere für Tischplatten oder Fensterbänke. Dafür war der Elzer Marmor schlicht zu weich, besonders entlang seiner weißen Maserung entstanden Bruchkanten.

Fliegen wie Dädalos und Ikaros

Heute liegt die Steilwand versteckt und überwuchert von Buschwerk und Bäumen in tiefem Dornröschenschlaf, nur links am Eingang summen die Bienen. Die Zufahrt versperrt ein dicker Marmorblock. Ältere Elzer erinnern sich noch an etliche Begebenheiten. So wie der Großvater, der dem Enkel dann auch noch erzählte, wie ein Elzer versuchte, hier auf den Spuren von Dädalos und Ikarus zu wandeln. Im ehemaligen Wohnhaus der Elzer Lahnkalkwerke neben dem späteren Forsthaus wuchs nämlich Karl Faißt auf. Der junge Mann, später bekannt als Elzer Original und überall Charlie genannt, kam auf tollkühne Ideen. Eines Tages verkündete er: "Charly fliegt aus eigener Muskelkraft!". Mit selbst gebauten Flügeln sprang er über den Rand der Marmor-Abbruchwand, stürzte ab und brach sich glücklicherweise nur ein Bein.