Chronik vom Backessteg

Paul Blättel

Der Backessteg wurde im Jahr 1948 abgerissen und durch eine Brücke ersetzt.
Zur Einweihung der neuen Brücke verfasste der Heimatdichter Paul Blättel eine "Chronik vom Backessteg", die auf den 22. Juli 1948 datiert ist.
Den Text und weitere Quellenangaben finden Sie im Elzer Atlas.

E. Weimer: Elzer Atlas. Elz 2006. (S.200-201.)

 

 

 

 

 

Bild: Paul Blättel (3. v.l.) mit seiner Schwester Sabine Eufinger, geb. Blättel und seinem Neffen Felix Eufinger, der als Kind starb.
2. v.l. ist Sabines Ehemann Anton Eufinger, die andere Person ist unbekannt.
         

Paul Blättel: Chronik vom Backessteg

Ein idyllisches Dorfbild von seltener Schönheit bietet der alte "Backessteg"! Seit Menschengedenken wird diese Brücke, die bei dem "Riese Haus", früher Gastwirtschaft und Bäckerei von Willi Sommer über den Erbach führt, so benannt.
Den Namen "Backessteg" hat die Brücke wohl bekommen, weil in der Nähe, in einem Garten von Johann Schenk, das Gemeindebackhaus stand und sich ein Brunnen dort befand, den man "Backesborn" nannte.
Die Länge der Brücke betrug acht Meter, die Breite zwei Meter. Die beiden Aufgänge der Brücke waren steil und schlecht gepflastert, zumal derjenige, der von der Gräbengasse zur Brücke führte. Der Aufgang von der Alexanderstraße hatte in den letzten Jahren einen guten Betonbelag erhalten.
Der dritte seitliche Aufgang war ebenso wie derjenige von der Gräbengasse in üblem Zustand. Das Geländer war aus zweizolligem Rohr und auf gußeisernen Ständern aufmontiert. Der Belag war aus Eichenholz.
Die erste Nachricht vom "Backessteg" besagt, dass es im Jahr 1824 drei Wasserfluten gab, und die letzte so groß war, dass die drei Brücken im Dorfe von dem wild gewordenen Bach zerstört wurden.
Die Brücken wurden sofort wieder neu errichtet. Das Holz für die Brücken stellte unser großer Wald, und jeder Steg kostete 36 Gulden Arbeitslohn. Elz hatte in diesem Jahre dreizehnhunderzehn Einwohner, darunter zweihundertundsechzig Schulkinder.
Hundert Jahre später betrug die Einwohnerzahl viertausend, die der Schulkinder sechshundertvierzig (...).
Der "Backessteg" wurde in den Jahren 1891 und 1896 wiederum bei einem Hochwasser fortgerissen, blieb aber jedesmal mit seinem eisernen Geländer an der ersten Krümmung, gegenüber dem Haus Peter Hofmann, hängen, konnte dann wieder an seinen Standort gebracht werden und tat dann nach seiner Instansetzung wieder seinen treuen Dienst. Das Geländer des Steges hat den Buben immer sehr viel Freude gemacht, aber sie haben es bei ihren Reitkünsten, die sie darauf vollführten, oft bös demoliert.
Der alte Schmied Cyrillus Meudt und später Schlossermeister Josef Paulchen mussten dann immer wieder den Schaden beheben. Weniger Gefahr für den "Backessteg" bedeutete,  dass das Rohr des Geländers als Sprachrohr benutzt wurde.
Für die schulentlassene Jugend war der "Backessteg" der gesuchte Ort, wo man Pläne ausheckte, sich die Tagesneuigkeiten erzählte und gern ein schönes altes Volkslied sang. Früher las auch der Polizeidiener auf dem "Backessteg" die Bekanntmachungen vor, und der Nachtwächter kündete auf ihm mit seinem Horn die Stunden der Nacht.
Uns allen war der "Backessteg" ein liebtrauter Gesell. Alle Elzer, die unserem Herzen nahestanden und die von uns gegangen sind, wanderten darüber. Darum allein verknüpfen sich so liebe Erinnerungen an ihn.
Dass er nun den Anforderungen des Verkehrs nicht mehr recht genügt und einer größeren Brücke weichen soll, ist seinen Freunden - und das sind alle Elzer - von Herzen leid. Doch er soll auch im modernen Gewande im alten Geiste in uns weiterleben und wird uns, wie sein Vorgänger, getreu Dienste tun.
Und darum begrüßen wir ihn als zu uns gehörig. Eine Brücke ist ja mehr als ein Verkehrsmittel, sie ist ein tief inniges Symbol, auch für die Menschen des 20. Jahrhunderts. Der neue "Backessteg" wird genau wie wir schwerere Lasten zu tragen haben als unsere Ahnen und wir in unserer Kindheit. Er wird mehr Arbeit haben als der alte "Backessteg".
Fünftausend Einwohner, darunter siebenhundertachtzig Schulkiner, muss er als Brücke dienen. Tag und Nacht wird er keine Ruhe haben. Als ganz besondere Belastung für ihn kommt hinzu, dass nun auch Fuhrwerke und Autos über ihn fahren. Der alte "Backessteg" hatte es leichter damit, er brauchte nur die Menschen zu tragen; alle Fuhrwerke nahmen oberhalb oder unterhalb des Steges durch die Bach ihren Weg.
Der Beschluss, den "Backessteg" neu zu bauen, wurde durch die Hochwasserschäden veranlasst und am 20. Januar 1948 gefasst; die Baupläne machte Georg Berneiser. Die Währungsreform machte dem Bau Schwierigkeiten, aber er wird mit gutem Mut ausgeführt. Die Baukosten sind auf 45000 RM [Reichsmark] veranschlagt. Den Bauauftrag bekam die Firma Wilhelm und Geberzahn. Die Bauleitung hatte Heinrich Eufinger. Beschäftigt an dem Bau sind: Anton Neis, Jakob Ries, Peter Becker, Peter Buchner, Albert Schneider, Marin Neu, Josef Müller, Franz Dietl, Georg Müller, Josef Eisenkopf, Johann Erbach, Josef Paulchen.
Eine Gedenkfeier für den alten und die Weihe für den neuen "Backessteg", der nun auch diesen Namen tragen wird, findet am Vorabend der Inbetriebnahme statt.

Elz, am Tage Maria Magdalena, den 22. Juli 1948

Der Chronist: Paul Blättel                                   Der Bürgermeister: Josef Friedrich