"Kjärmes feiern mär erscht recht, doat is heilig Elzer Recht"

Aus dem Elzer Kirmeslied von Paul Blättel (1922)

Meinte der damalige Kurfürst und Bischof von Trier Johann VIII. Hugo von Orsbeck mit seiner Verordnung gegen "das Fressen und Sauffen vor allem an Kirchweih" speziell die Elzer Kirmes? Vermutlich nicht nur, denn diese skeptische Haltung entsprach wohl seiner strengen Religiosität und asketischen Lebensweise. Jedenfalls scheint es Ende des 17. Jahrhunderts im Gebiet des ehemaligen Kurfürstentums Trier, also wohl auch in Elz, an Kirchweih hoch her gegangen zu sein. War unseren "Kurfürsten", denen die Elzer Kirmes so sehr am Herzen liegt, die Verordnung des Kurfürsten Johann Hugo bei ihrer Namenswahl bewusst?

Kirmestanz und Kirmesburschen?

Cäsarius von  Heisterbach, Novizenmister und später Prior der ehemaligen Zisterzienserabtei Heisterbach bei Königswinter, berichtet in seinem "Dialogus miraculorum" von dem Elzer Pfarrer Henrich, der im Jahr 1218 durch einen Blitzschlag ums Leben kam. Sein Bericht beginnt mit dem Satz: "Sacerdos loci Henricus nomine dum sederet in taberna..." ("Während Henrich, der Priester des Ortes, in der Schenke hockte, ..."!) Was den strengen Novizenmeister in diesem Lehrgespräch mit einem Novizen zur Interpretation des Unglücksfalls als Strafe Gottes veranlasste, zumal Henrich für einen Pfarrer, zumindest nach heutigen Maßstäben, wohl auch sonst einen ziemlich unkonventionellen Lebensstil pflegte:

"Aiunt clericum eundem tunc de novo acquisisse coronam coreizando, quam quasi victor iuxta domum suspendit, ut ibi stulti homines luderent, ducerentque choreas." (Cäsarius von Heisterbach: Dialogus Miraculorum, Buch X, Kapitel XXIX)

"Es heißt, dass  eben dieser Kleriker [Henrich] erneut beim Tanzen einen Siegerkranz gewonnen habe, den er neben seinem Haus aufhängte, damit dort närrische Leute tanzten und Reigentänze aufführten." (Übersetzung: Rüdiger Krauskopf)

Es muss ein Fest gewesen sein, zu dem ein Tanzwettbewerb ausgerichtet wurde und bei dem der Pfarrer Henrich nicht zum ersten mal siegte. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um das Kirchweihfest der alten Elzer Kirche gehandelt haben könnte. Wenn diese Vermutung stimmt, hätte unser Kirmesbrauch "Tanz um den Kirmesbaum" sehr alte Wurzeln. Die "närrischen Leute" als frühe Vorläufer unserer Kirmesburschen und Kirmesmädchen zu interpretieren erscheint ziemlich gewagt. Dennoch dürfte es auch in früheren Jahrhunderten immer Gruppierungen von jungen Leuten gegeben haben, die bei Festlichkeiten für Stimmung sorgten.

Der Kirchbau im 19. Jahrhundert

Über den Termin und den Ablauf des Kirchweihfestes der alten Kirche, des Vorläuferbaus unserer heutigen Pfarrkirche, kennen wir leider keine Details. Das Kirchenschiff dieser kleinen romanischen Elzer Kirche aus dem frühen 13. Jahrhundert, inzwischen baufällig geworden, stürzte bei einem schweren Unwetter im Jahr 1848 ein. Zu diesem Unglück kam noch der "große Brand" im Jahr 1850, der ein Drittel der Häuser unseres Dorfes vernichtete. Trotz der allgemeinen Verarmung entschieden sich die Elzer nach vorbereitenden Arbeiten des Gemeindevorstandes in einer Bürgerversammlung für den Neubau einer Pfarrkirche.
Der Baubeginn war im Juli 1851, die feierliche Grundsteinlegung erfolgte jedoch erst ein Jahr später, wovon der Grundstein an der Nordseite zeugt. Der Bau konnte nach drei Jahren fertigstellt werden, aber aus Kostengründen wurde nur ein provisorischer Turmhelm installiert, den man erst 1908 durch den heutigen Turmbau ersetzte.

Die Weihe der Pfarrkirche

Am 19. November 1854 konsekrierte der damalige Limburger Bischof Peter Josef Blum unsere Pfarrkirche St. Johannes der Täufer, damit blieb uns das Jahrhunderte alte Patrozinium erhalten. Die jährliche Kirchweihfeier legte der Bischof, mit einem vorher zu haltenden Fast- und Abstinenztag, auf den 1. Sonntag nach dem Herbstquatember fest. Durch eine Verschiebung des Herbstquatembers in die erste Oktoberwoche, läge unser Kirmes dann aber erst im Oktober. In Elz legten wir daher fest:
Wir feiern unsere Kirmes am 3. Sonntag im September.

Die Entwicklung unserer heutigen Kirmesbräuche

Schon 1937 beschrieb Heimatdichter Paul Blättel das Elzer Kirmesbrauchtum in seinem Artikel "Sitten und Gebräuche in Elz" (E. Weimer, Chronik der Gemeinde Elz, S. 235 ff.) sehr genau. Nach mehreren Versionen gibt es heute eine umfangreiche Handreichung und sogar einen juristisch korrekten Satzungsentwurf für die Kirmesburschen. Vergleicht man diese beiden Schriften, so trifft tatsächlich zu, was Bernd Martin im Heft der Kirmesburschen 1984 schrieb: "Die alte Tradition, die alten Sitten und Gebräuche, die unsere Vorfahren erdachten und pflegten, hat die junge Generation mit hinübergerettet in die Epoche des modernen Zeitalters. So wie die Alten vor vielen Jahren ihre Kirmes feierten, so wird sie auch heute noch von der Jugend und den Alten festlich begangen."
Aber Tradition bleibt nur lebendig, wenn man sie aktiv lebt und für Neues offen bleibt. Wie die beiden folgenden Bilder zeigen, nahm man auch im traditionsbewussten Elz Veränderungen vor.

Elzer Kirmes Frühe Kirmesburschen

Frühe Kirmesburschen vor "Posthaltisch Haus" (Rathausstraße 24)

Elzer Kirmes Früher Kirmesbaum

Früher Kirmesbaum

Ein Bild Elzer Kirmesburschen - der Jahrgang ist leider nicht bekannt - zeigt noch recht bescheidene Kirmeshüte. Von den damaligen Kirmesmädchen gebunden, hatten sie meist nur einen seitlichen Strauß mit einigen bunten Bändern. Aber kurze Zeit später entwickelten sich die Kirmeshüte zu den opulenten Gebilden, die wir heute kennen. Spätestens ab dem Jahr 1949 übernahm die gelernte Modistin Maria Löw die Garnierung der Kirmeshüte. Sie führte diese Arbeit über viele Jahrzehnte durch und machte sich so für die Elzer Kirmes verdient. Aber nicht nur die Kirmeshüte veränderten sich, auch der Kirmesbaum nahm von bescheidenen Anfängen einen Weg zu immer größer und dicker. Lediglich die vereinten Kräfte eines Jahrgangs setzen dem eine Grenze, denn der Kirmesbaum wird immer noch ohne maschinelle Hilfsmittel gestellt. Gut so!

Das Elzer Kirmeslied

Eine entscheidende Ergänzung erhielt die Elzer Kirmestradition im Jahr 1922: Das Elzer Kirmeslied
Heute ist das Kirmeslied von Paul Blättel mit der Melodie von Paul Kalb unverzichtbar für die Kirmestradition.
Es ist kaum vorstellbar, dass in Elz 68 Jahre ohne dieses Lied Kirmes gefeiert wurde.

Kirmesburschen 1926

Die Kirmesburschen und Kirmesmädchen 1926 dürften einer der ersten Kirmesjahrgänge gewesen sein, für die das Kirmeslied zum  selbstverständlichen Repertoire gehörte.

Neuere Kirmesbräuche

Otto Purtauf, der ehemalige Leiter unseres Archivs, berichtet noch von weiteren Ergänzungen zu unserer Kirmestradition:
Als der Jahrgang 1935 im Jahr 1956 die Kirmes hielt, brachte Helmut Bay aus der Weberstraße eine Trommel mit. Diese wurde immer mitgenommen, wenn die Kirmesburschen an Wochenenden auf eine Kirmes oder auf die "Frei" zogen. Dann wusste man, jetzt kommen die Kirmesburschen. Manch einen trieb man mit dem Getrommle zur Verzweiflung, doch die Trommel wurde schließlich akzeptiert. Die Kirmesburschen nehmen sie auch heute noch mit.
Im Jahr 1958 führte der Jahrgang 1937 erstmals einheitliche Kirmeshemden ein. Drei Jahre später ergänzte man die Kirmeshemden mit einem Wappen und der Jahreszahl, des Kirmesburschenjahrgangs. An Kirmesmontag tragen die ehemaligen Kirmesburschen ihre Hemden und treffen sich zum gemeinsamen Frühschoppen. Ein schöner Brauch, der allerdings im Laufe der Jahre abebbt, weil immer mehr ehemalige Kirmesburschen aus ihren Hemden herauswachsen.

Wiederbelebung eines alten Brauchs

Ein wieder belebter Brauch war das Anspielen der Kirmes. Paul Blättel schrieb dazu in seinen "Sitten und Gebräuchen in Elz"
(a.a.O., S. 237):

"Die große Zeit der Kirmes ist da, das heißt, das Vorspiel, die Ouvertüre. Nur noch 14 Tage trennen uns von der Kirmes. Samstagabend ist's. (...) Auf einmal loht glutrot eine Fackel auf, in deren Scheine wir eine Musikkapelle gewahren und die Tanzburschen inmitten der fröhlich lärmenden Jugend. An der Spitze ein paar Fackelträger, dann folgt die Musik, hierauf die Tanzburschen aber noch ohne Kirmesstrauß am Hute. (...) Durch die Straßen schlängelt sich der musizierende, jauchzende, vom magischen Fackelschein überflutete Zug."
Wohl durch das Überangebot an Unterhaltungsmöglichkeiten erlahmte das Interesse an diesem Brauch. Doch seit einigen Jahren wird die Kirmes wieder mit einem Umzug angespielt. Im Gegensatz zu früheren Zeiten verzichtet man aber auf einen Tanzabend, sondern beendet den Zug mit einem Umtrunk auf dem Rathausplatz.

Weitergabe des Kirmesbrauchtums

Unser Vorstandsmitglied Bastian Hoffmann, selbst einmal 1. Vorsitzender eines Kirmesburschenjahrgangs, führt die künftigen Kirmesburschen auf Wunsch in das Elzer Kirmesbrauchtum und seine Geschichte ein. Hierbei werden in lockerer Form die Hintergründe einiger alter Gepflogenheiten aufgedeckt. So hat es mit dem "Strohsammeln" an Kirmesdienstag folgende Bewandtnis: Früher benötigten die Winzer im Rheingau dringend Stroh zum Schutz der Weinstöcke. Da man aber im Rheingau kaum Getreide anbaute, musste es dazu gekauft werden. Die Kirmesburschen sammelten also Stroh, transportierten es in den Rheingau und tauschten es dort gegen Wein ein. Auch so mancher Fauxpas seitens der Kirmesburschen konnte durch diese Informationsveranstaltung verhindert werden. Nach alter Tradition ist bei der "Frei" nämlich nicht der Vater des potentiellen Kirmesmädchens zu fragen. Vielmehr muss unbedingt die Mutter um Erlaubnis gebeten werden, mit der Auserwählten Kirmes feiern zu dürfen.